PTBS: Posttraumatische Belastungsstörung im Rettungsdienst

Durch schwere Kampfeinsätze oder längere Aufenthalte im Auslandseinsatz wurde sie bekannt: Die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). In der Bundeswehr akzeptiert ist die PTBS vor allem unter Polizei- und Rettungskräften weder anerkannt noch vergesellschaftet. Doch das Risiko einer PTBS betrifft auch diese Gruppen. Eine Studie nach dem Erdbeben in der Türkei 2003 begleitet 44 Rettungskräfte im Verdauungsprozess des Einsatzes. Interessante Einblicke und zukünftige Strategien der Einsatzbewältigung hier im Artikel.

Nachdem ich den Artikel „dunkles Loch“ auf AlltagimRettungsdienst Webseite gelesen hatte war mir klar, dass mein nächstes Artikelthema die posttraumatischen Belastungsstörungen aufgreifen soll. Die PTBS ist im Rettungswesen noch immer „unbekannt“ und „unerforscht“. Ich selbst habe in meiner Rettungsdienstausbildung nur wenig bis garnichts über die psychsichen Folgen von schweren Einsätzen erfahren, umso wichtiger nun darüber zu berichten.

Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)

Eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder Englisch: Post-traumatic Stress Disorder (PTSD) entsteht in Folge von belastenden Ereignissen oder Situationen mit unterschiedlich langer Dauer. Meist geht eine außergewöhnliche oder katastrophenartige Belastung mit diesem Ereignis einher. Jedoch kann dies nicht pauschalisiert werden. Welches Ereignis für den Betroffenen als traumatisch einzustufen ist hängt von verschiedenen Einflussfaktoren ab.

Soldat mit PTBS

Für den Autor, siehe [Public domain], via Wikimedia Commons


Als typisches Symptom erfolgt das ungewollte Wiedererleben der belastenden Situation bzw. Teilaspekte von dieser. Grund für das erneute Durchleben spielen Auslösereize so genannte Trigger. Dabei erfolgt die selbe körperliche Reaktion (Bilder, Gefühle, Empfindungen) wie während des traumatischen Vorfalls. Vor allem ähnliche Situationen bzw. der Umgang mit Personen aus dem Ereignis werden als besonders belastens empfunden.

Durch dieses Aufleben der Gefühle kommt es zur Vermeidung ähnlicher Situationen und dem Versuch Bilder, Emotionen und Erinnerungen an die Situation auszublenden und zu verdrängen.

Das Feld der Posttraumatischen Belastungsstörungen kann in eine akute und chronische Verlaufsform unterteilt werden. Diese werden anhand der Symptomdauer unterschieden. Während die aktue PTBS bis ein Monat anhält zeigt sich in der chronischen Form eine Symptomdauer von mehr als 3 Monaten.

PTBS – Symptome

Neben dem erneuten Durchleben der belastenden Situationen äußern sich weitere Symptome einer PTBS wie folgt. Einerseits zeigt sich eine emotionale Reaktion der Betroffenen, welche vor allem durch intensive Angst, Schuld, Scham, Traurigkeit oder Ärger in Verbindung mit emotionaler Taubheit geprägt wird. Auch eine Erhöhung von Gefühlsreaktionen ist zu beobachten. So werden Betroffene als vermehrt schreckhaft, reizbar oder mit erhöhter Reaktionsbereitschaft beschrieben. Bei schweren Störungen kommt es zur Isolation des Betroffenen gegenüber seinem sozialen Umfeld. Auch der Kontakt zur Familie wird vermieden. Dies kann teils unerkannt erfolgen (zum Beispiel durch vermehrte Überstunden).
Leichtere Formen, wie sie häufig im Rettungsdienst vorkommen, betreffen vor allem Schlafstörungen, Albträume, Schreckhaftigkeit oder Störungen des Appetit bzw. der Motivation.

PTBS – Daten und Fakten

StatistikIm Laufe eines Lebens ereilt nahezu jeden ein traumatisches Ereignis. Die Entwicklung einer PTBS tritt hierbei bei circa 25 Prozent der Betroffenen auf. In der Auftrittswahrscheinlichkeit liegen Frauen mit 10-12 Prozent leicht über den Männer mit 5-6 Prozent.

Eine Verbindung zu anderen Angststörungen, Substanzmissbrauch oder vorhandenen psychischen Störungen kann in den meisten Fällen gezogen werden.

PTBS – Prädisposition

Eine Posttraumatische Belastungsstörung kann jeden treffen. Sie geht weder mit psychischer Labilität einher noch ist sie Ausdruck einer verminderten Psyche. Auch psychisch- und sozial gefestigte Menschen entwickeln eine PTBS. Entscheidend für die Entwicklung einer PTBS ist die Verarbeitung. Sollte es in Folge eines belastenden Erlebnisses nicht zur zeitnahen Aufarbeitung kommen können sich Momentaufnahmen im Unterbewusstsein festsetzen. Auf entsprechende Auslösereizen (Trigger) kehren diese unkontrolliert zurück ins Bewusstsein. Es handelt sich somit um eine Störung des Traumagedächtnis aufgrund von ungenügender emotionaler Verarbeitung.

PTBS – Therapie

Vor allem bei schweren Formen der posttraumatischen Belastungsstörung bietet sich eine stationäre Therapie an. Nach einer Vorbereitungszeit  vor der Therapie erfolgt die stationäre Therapiephase, welche circa 12 Wochen in Anspruch nimmt. Hierbei stehen vor allem die Identifizierung auslösender Triggerfaktoren sowie von traumaassoziierten Emotionen im Vordergrund. Dabei werden kognitive Therapiemodelle (also die Erinnerung an das Geschehen) genutzt.
Als verhaltenstherapeutischer Ansatz wird der Abbau des Vermeidungsverhaltens vor Triggerfaktoren angestrebt.
Im Anschluss bzw. als Ersatz bei leichteren Fällen der PTBS erfolgt eine ambulante Therapie. Diese soll vor allem die Neugestaltung von Lebensbereichen sowie die Wiedereingliederung in die Gesellschaft und den Berufsalltag ermöglichen. Auch das Wiederaufnehmen von Freundschaften stellt ein Ziel der ambulanten Therapie dar.

PTBS – Bundeswehr

Als Vorreiter der Diagnose und Therapie gilt die Bundeswehr. Hier konnte sich die PTBS nach anfänglichem Spott und Hohn als anerkanntes Krankheitsbild durchsetzen. Die Statistik der letzten Jahre zeigt, dass das PTBS keinesfalls eine Erkranung einzelner ist. So hat die Zahl der Betroffenen Soldaten vom Jahr 2009 (466), 2010 (729), 2011 (922), 2012 (1.143) bis hin zum Jahr 2013 (1.423) kontinuierlich zugenommen. (Quelle: Bundeswehr)

Dies liegt einerseits an der steigenden Zahl der Auslandseinsätze zum anderen an der zunehmenden gesellschaftlichen Anerkennung der posttraumatischen Belastungsstörung bei Soldaten.

PTBS – Polizei- und Rettungskräfte

Im Gegensatz zur Bundeswehr hat sich die posttraumatische Belastungsstörung bei Polizei- und Rettungskräften noch nicht als voll akzeptiertes Krankheitsbild durchgesetzt. Hier leiden Betroffene immernoch Angst durch das offene Reden über eine mögliche PTBS als „schwach“ oder „psychisch ungeeignet“ zu gelten.

von Haugg (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 oder GFDL], via Wikimedia Commons

von Haugg (Eigenes Werk) [CC-BY-SA-3.0 oder GFDL], via Wikimedia Commons

Diese Entwicklung ist schade, denn sowohl Polizei- als auch Rettungskräfte sind einer enormen psychischen Belastung ausgesetzt. Diese kann neben lebensbedrohlichen Charakter auch katastrophale Eigenschaften annehmen. Vor allem die Begleitung von im Sterben liegender Personen nach traumatischen Unfällen wird für Rettungskräfte als besonders belastend empfunden.

Vermeintlich schwierig stellt bei diesen Personengruppen die Abgrenzung zwischen einer PTBS und dem „normalen“ Verarbeitungsprozess dar. Sicher nimmt jeder Mitarbeiter vereinzelt Situationen mit nach Hause, welche ihm eine oder zwei schlaflose Nächte bereiten. Hier sollten sich jedoch alle Personen bewusst sein, dass es sich bereits um eine leichte Form der PTBS handelt. Eine gezielte Aufarbeitung zum Beispiel durch Sprechen mit den Kollegen sollte nun unbedingt erfolgen. Ein herunterschlucken der Gefühle, Emotionen und Erinnerungen ist nicht förderlich und bewirkt das festsetzen einer schwereren Form der PTBS.

PTBS-Studie – Erdbeben Bingol 2003

By Martin St-Amant (S23678) (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons

By Martin St-Amant (S23678) (Own work) [CC-BY-SA-3.0], via Wikimedia Commons


Eine der ersten Studien über das PTBS-Risiko für Rettungskräfte wurde bei Mitgliedern der Diyarbakir Civil Defense, Search and Rescue Association (DCDSRA) zwei Monate nach dem türkischen Erdbeben in Bingol (2003) untersucht. Hierbei erreichten 55 männliche DCDSRA-Mitarbeiter das Katastrophengebiet (170 Tote, über 500 Verletzte). Hiervon unterzogen sich 44 Mitarbeiter 8 Wochen im Anschluss an das Ereignis einem strukturiertem Interview. Hierbei wurde mittels verschiedener Skalen die momentane Angst, die Angst als Persönlichkeitsmerkmal, Befragungen zur Depressivität und die Lebensqualität- und Zufriedenheit untersucht.

Bei 11 der 44 Mitarbeiter (25 Prozent) wurde nach Erhebung der Skalenwerte eine PTBS diagnostiziert. Diese Studie bewies als eine der ersten den starken Zusammenhang von PTBS und rettungsdienstlichen Einsätzen. So wurde das Auftreten der PTBS bei Polizei- und Rettungskräften bestätigt und nicht mehr nur allein auf Soldaten in Kampfeinsätzen beschränkt. (Quelle: GFI-Online)-

PTBS – Die Realität!

Als Fazit möchte ich nochmals auf die Dringlichkeit und Wichtigkeit von Nachbesprechungen für das Personal von Rettungs- und Polizeiwesen aufmerksam machen.

Als erste Maßnahme sollten Betroffene das Gespräch mit Kollegen (im Idealfall Kollegen, welche den Einsatz selbst miterlebt haben) suchen. Ein Abweisen von hilfesuchenden Kollegen sollte auf keinen Fall erfolgen! Bitte daran denken, dass gerade für junge Mitarbeiter andere Situationen als belastend empfunden werden. „Alte Hasen“ sollten einem Nachgespräch hier keinesfalls lachend begegnen sondern die Möglichkeit für eine Nachbesprechung gezielt anbieten. Gerade bei der Mitnahme von Praktikanten sollte nach Einsätzen wie „Reanimation“ oder „Verkehrsunfälle“ eine Nachbesprechung angestrebt und angeboten werden. Hier bitte spätestens am Schichtende (nach vermeindlichen harmlosen Einsätzen des Tages) eine Besprechung des Erlebten für den Praktikanten anbieten!
Stellt sich heraus, dass ein Einsatz für mehrere Kollegen als belastend empfunden wurde empfiehlt es sich professionalle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Diese HIlfe erfolgt in Form einer systematischen Aufarbeitung des Einsatzes mit einem außenstehenden, speziell ausgebildeten Gesprächsführer. Diese Gespräche werden von unterschiedlichen Einheiten und Organisationen angeboten.

Quellen – Informationen

Meine verwendeten Quellen:

Und zum Schluss noch eine (wie ich finde) gute Dokumentation über die Belastung von Einsatzkräften und die PTBS. Das Video „Auch Helfer brauchen Hilfe“ gewann 2009 den DRK Medienpreis.

Und nun freue ich mich über Kommentare, Diskussionen und eure Berichte im Zusammenhang mit schweren und belastenden Einsätzen!

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